ES WAR PATRIOTISMUS, NICHT KOMMUNISMUS, DER MICH INSPIRIERT HAT.

Kennt ihr Onkel Ho? Jeder hier in Vietnam hat einen Onkel mit Namen Ho. Gemeint ist Ho Chi Minh, welcher beim Volk sehr beliebt ist, bis hin zu einem ganz eigenem Personenkult in der Bevölkerung. Er war Revolutionär, kommunistischer Politiker und später Präsident von Vietnam. Er formte u.a. aus den damals ca. 40 Widerstandsgruppen eine „Liga für die Unabhängigkeit Vietnams“ unter dem Namen Viet Minh zur Abwehr des japanischen Imperialismus und französischen Kolonialismus und rief als dessen Führer im September 1945 die unabhängige Republik in ganz Vietnam aus. Gegen seinen Willen, dass er verbrannt und in Nord-, Mitte- und Südvietnam begraben werden möchte, wird er heute im Mausoleum in Hanoi aufbewahrt, welches wir an unseren ersten Tagen besucht hatten. Nun sind wir in Ho Chi Minh City (früher Saigon) und können die Geschichte an jeder Ecke spüren. Sei es an historischen Orten oder in jedem Souvenirshop dieser Großstadt. Wir steigen tiefer in die Geschichte von Vietnam ein und folgen den historischen Spuren aus der Zeit des Indochinakrieges, der Tet-Offensive und auch des Vietnamkrieges. 

Außerhalb vom Zentrum von Ho Chi Minh City besuchen wir Chu Chi, ein gigantisches Spinnennetz aus 200 km Tunneln auf 3 Ebenen, welche überwiegend grad mal 80 cm hoch und 60 cm breit. Unter der Erde wurden hier ganze Städte gebaut, wo die Partisanen im Vietnamkrieg versteckt lebten, arbeiteten und kämpften. Beim Selbstversuch, sich durch die engen Gänge zu zwingen, haben wir ein intensives Erlebnis von Zeitgeschichte gehabt. Hinab geht es in einen der Tunnel, an dessen Ende man kein Licht sieht. Langsam gehen wir in die Knie und hinein in den schmalen Gang. Links und rechts schrammen die Ellenbogen an den Wänden entlang, die Beine sind gebeugt und die Arme vorgestreckt, umdrehen und umkehren klappen nicht mehr. Hitze steigt auf, welche von den Wänden reflektiert, uns Schweiß ins Gesicht treibt, ein beklemmendes Gefühl in den Lungen, Luft wird knapp. Dann plötzlich Gewehrschüsse, eine Salve, zwei Salven. Man zuckt zusammen und Panik steigt auf. Schneller, bloß raus hier. Treppen hoch, doch kein Ende, nur eine Zwischenstation. Hinein in den nächsten Tunnelabschnitt. Nur noch 10 Meter. Nochmals Schüsse aus der Ferne. Touristen feuern mit altem Militärequipment am Schießstand außerhalb der Tunnel aus allen Rohren und verbrauchen das vom Krieg übrig gebliebene Kriegsgut. Nur noch 5 Meter. Schier unendlich wirkt der Tunnel nun. Dann endlich wieder Tageslicht und ein tiefer Atemzug frischer Luft. Geschafft ruhen wir uns aus in der Hitze des Dschungels bei 37 Grad, suchen im Dickicht nach weiteren versteckten Eingängen und Fallen.

Auf dem Rückweg fahren wir vorbei am VFR (Vietnamese Fried Rat), VFD (Vietnamese Fried Dog) und KFC (Kentucky Fried Chicken) ins bunte Treiben der Großstadt. Essen landestypische Suppen und vertreiben uns die Zeit mit Shopping in kleinen Boutiquen und auf dem Markt. Verhandeln hier und da und füllen unsere Backbacks mit kleinen Andenken. Am Abend entfliehen wir in die Oper und tauchen ab in beeindruckende Bilder mit wunderschöner Akrobatik. Die Darsteller erzählen mit ihrer Bühnenshow von Traditionen und Wandel in Vietnam und entlassen uns mit positiver Energie in unsere Träume.

BESSER MIT DEN RICHTIGEN MENSCHEN DURCH DEN REGEN LAUFEN, ALS MIT DEN FALSCHEN IN DER SONNE LIEGEN.

Die letzten zwei Tage in Hoi An kamen einem vor wie Ying Yang. In Vietnam entspricht das dem Bild eines Phoenix stehend auf einer Schildkröte und findet man oft als Steinskulptur in oder vor Tempeln wieder. Die Schildkröte steht für ein langes Leben und der Phoenix für Freiheit.

TAG DER SCHILDKRÖTE

Alles ist bewölkt und grau. Alles ist feucht und in einem Regenkleid versteckt. Ein Ausflug nach My Son wird zu einer düster romantischen Zeitreise in die Vergangenheit. Die alten Steine, welche ohne Beton zu einem heilige Bauwerk gestapelt wurden und in denen früher heimische Rituale durchgeführt wurden. Inmitten dieser Ruinen und des umliegenden Dschungels, welche wir spüren und hören können, verweilen wir bis die Naturdusche vorbeizieht, bevor wir in unser Hotel zurückfahren und es uns warm und gemütlich machen.

TAG DES PHOENIX

Die Sonne scheint schon früh. Alles ist warm und wir voller Vorfreude auf die Altstadt. Zu Fuß und per Rikscha erkunden wir die kleinen Straßen. Wir bummeln durch die kleinen Shops mit ihren North-„Fake“ Jacken und maßgeschneiderten Kleidungsstücken. Wir stöbern durch Kunstläden, bis wir ein Mitbringsel als Erinnerung finden und genießen anschließend leckere kulinarische Speisen des Landes in einem Street Food Restaurant. Wir treffen einen jungen Australier, der einem örtlichen vietnamesischen Künstler Geld für dessen Kunststunden zahlt um sich selber in dessen Atelier zu verwirklichen und erwischen uns beim Gedanken, dies am liebsten auch zu tun und noch ein paar Tage hier zu verweilen. Zum Abschluss dieses Tages geht es nochmal zum Sonne tanken an den Pool und zur Wellness Vietnamese Massage. Wir sind entspannt, in Vietnam angekommen und glücklich.

AUS STEINEN, DIE IM WEG LIEGEN, KANN ETWAS SCHÖNES ENTSTEHEN.

Die Eindrücke der ersten Tage in Vietnam füllen den Speicher meines Gedächtnisses und meiner Kamera. Fühle mich wie „Lost in Translation“, denn der Jetlag hängt noch an mir. Also liege ich wach und anstatt zu schlafen, halte ich meine Gedanken und Bilder der ersten Tage zwischen Hanoi und Halong Bucht in diesem Blog als Erinnerung fest. 

Durch den Besuch des Mausoleums  des ehemaligen Präsidenten von Vietnam Hồ Chí Minh und des Temple of Literature haben wir einen ersten sehr guten Einblick in die Werte und die Kultur des Landes bekommen. Es wurde sehr deutlich, dass wenn man in Vietnam gut zu den Menschen ist, man durchaus auch seinen eigenen Tempel bekommen kann. Bei einem Besuch der lokalen Straßenmärkte haben wir dann eine andere Tradition kennenlernen dürfen, welche in Vietnam aus der Not heraus geboren wurde. Ein Motorradfahrer, der unsere Wege kreuzte, brachte eine brisante Ware zum Markt und ließ unsere Gesichter kurzzeitig erstarren. Bitter wirkt die Erkenntnis, dass es kein Gerücht ist, dass man in Vietnam Katzen und Hunde isst. Bei einer kurzen Erholungspause von diesem Kulturschock für einen Ice Tea am Straßenrand konnten unsere Mägen dann erstmalig Antikörper aufbauen. Um die Ecke ging es dann weiter zu einem „coffee with egg“ (Kaffee mit Ei) und später durch enge Gassen unter die Leute ins Beer Corner. Hier konnten wir uns treiben lassen, während Motorräder und mobile Küchen vorbeizogen, bevor wir K.O. ins Bett gefallen sind und sofort geschlafen haben.. zumindest einer von uns.

Mit neuer Kraft im Tank und Sonnenschein im Gepäck ging es nun von Hanoi an Reisfeldern vorbei nach Halong. Mit viel Glück konnte man die örtliche Polizei in den Bäumen oder auf Balkonen mit ihren Geschwindigkeitsmessgeräten entdecken. Viel Arbeit hatten diese Hobbyakrobaten an diesem Tag allerdings nicht, denn die Straße war meist sehr voll und nur dank indirekter Kommunikation per Hupe zwischen allen Verkehrsteilnehmern im Fluss und trotz riskanter Fahrmanöver unfallfrei.

Endlich angekommen, ging es per Dschunke weiter in die Halong Bucht, auch Bucht des untertauchenden Drachen genannt, mit ihren natürlich schönen und einzigartigen Felsformationen. Entgegen unserer Erwartung gab es hier mehr davon als gedacht und laut Aussage von Wikipedia 1969 davon. Zumindest ca. 300 konnten wir sehen und einigen wenigen davon sogar Sinnbilder zuordnen, bevor der Sonnenuntergang sie alle verschwinden ließ. Also sind wir auf Sterne zählen umgestiegen und haben uns in unser Bett mit Live 16:9 Fensteraussicht zurückgezogen, bis unsere Augen müde wurden. Mit einer frischen Brise und viel Sonne ging es wieder zurück nach Halong. Zum ersten Mal stellt sich Entspannung ein und so treiben wir dahin.

Auf unserem Weg über Land zum Flughafen halten wir in einem Dorf und begegnen netten, offenen Vietnamesen, welche uns Einfachheit und Harmonie spüren lassen. Wir tauchen ein in ein Leben von einfachen Menschen mit wenig Habseligkeiten, aber tiefer Zufriedenheit, welche man in ihren Augen sehen kann. Alles wirkt so friedlich und ausgeglichen. Man mag noch länger verweilen und alles Positive aufsaugen…

Zu später Stunde geht unser Flieger nach Hoi An, wo ich nun im Bett unseres neuen Hotels liege und diese Zeilen schreibe, während draußen ein Ausläufer des Monsuns Musik auf den Palmenblättern spielt und mich in den Schlaf wiegt.

KEIN WEG IST LANG, MIT EINEM FREUND AN DER SEITE.

Stille.. Ruhe.. Leere.. und doch ist dies ein Zustand, den ich in diesem Moment genieße und schon einige Zeit vermisst habe. In der Hektik und dem Stress des alltäglichen Hamsterrads aus Arbeiten, Nahrungsaufnahme und Schlafentzug ist es manchmal schwer, das Gleichgewicht und die Ausgeglichenheit zu finden. Und so sitze ich nun im Flieger Richtung Fernziel unterwegs und merke, wie zunehmend die umtriebigen Gedanken von mir abfallen. Ich beobachte die Leute um mich, schaue in ihre Gesichter und sehe Geschichten vorbeiziehen. Wie ein morgendlicher Nebel ziehen sie an mir vorbei und nehmen meine grauen Wolken mit. Und wenn es sich verzieht, bin ich bereits gelandet, wo die Sonne scheint. Sind wir gelandet. Denn diesmal habe ich dich nicht vergessen. Diesmal habe ich dich bei mir. Du liegst mit deinem Kopf auf meiner Schulter und signalisierst mir, dass du da bist. Dein Bein wärmt mein Bein unter unserer Decke. Erschöpft von den Anstrengungen der letzten Monate träumst du mir leise was vor. Denke, ich werde dich mal suchen gehen. Vielleicht finden wir uns ja noch vor Vietnam in deinen Träumen wieder.. in der Stille und Ruhe und Leere dieses Momentes. Bevor wir dann am Boden in neue gemeinsame Abenteuer aufbrechen.

Und plötzlich, schneller als dieser Blogeintrag fertig geschrieben ist, stecken wir ohne Visa, ohne Geld, ohne Rücksäcke und beinahe ohne Weiterflug in Ho Chi Minh am Flughafen fest. Aber nochmal zurück auf Anfang und zurück an Board.

Guter Dinge, dass wir drei Stunden zum Umsteigen haben und dies bereits erfolgreich in Abu Dhabi in nur einer Stunde geschafft hatten, gehen wir von Board. Ein erster Gesundheitscheck auf gängige Krankheiten durch die örtlichen Mediziner geht problemlos vonstatten und man lässt uns passieren. Munter steuern wir auf den Ausgang zu, wo wir unser Einladungsschreiben und unseren Reisepass vorlegen. Leider werden wir bei unserem Versuch zurück und auf den Schalter für Visum verwiesen. Gemäß dem Auswärtigen Amt brauchen deutsche Urlauber in Vietnam für 15 Tage kein Visum. Es interessiert jedoch keinen vor Ort und beim genauen Nachrechnen fällt uns auf, dass wir 16 Tage im Land sein werden. Es gibt also keine Diskussion zu gewinnen. Uns wird jetzt bewusst, dass die Zeit knapper wird, als uns lieb ist. Am Schalter wird uns ein Formular für die Einreisevisa überreicht. Vorschriftsmäßig füllen wir jedes uns verständliche Feld aus und platzieren unser biometrischen Foto, während neben uns ein anderer Urlauber Pose steht für sein Foto, da er keines mit sich führt und es hier im Sicherheitsbereich keinen Automaten gibt. Auch gibt es hier keinen ATM, wo wir Dollar vom Konto abholen können um die Einreisevisa zu zahlen. Nun heißt es warten und dabei cool bleiben und relaxt aussehen.

Nach über einer halben Stunde und aufsteigender innerer Unruhe versuchen wir es mit unseren uns verbliebenen letzten Euro anstatt Dollar am Schalter. Ein Amerikaner, der versuchte mit den netten Kollegen vor Ort über die Konditionen zu diskutieren, wird prompt aus dem Sicherheitsbereich geleitet. Wir haben Glück. Legen alle unsere Scheine und Kleingeld auf den Tresen, wissend, dass es nicht ausreicht und können das Herz der Frau am Schalter erweichen und man lässt uns passieren zur nächsten Station unseres Hindernislaufes. Die Zeit dreht sich weiter, das Gepäckband jedoch steht still und kein Gepäck wartet auf uns. Die örtliche Polizei ist sehr freundlich und weist uns den Weg zum Lost&Found, wo unser Gepäck auf uns wartet. Hier benötigt man keinerlei Formular, also nehmen wir unsere Rücksäcke und fliehen dem Terminal in ein gefühlt noch größeres Labyrinth des Flughafengeländes, wo jeder Passant und Servicemitarbeiter anscheinend einen anderen und kürzeren Weg zu unserem Abflug-Terminal kennt. Dies mündet in eine Jagd gegen die Zeit nach dem richtigen Check-in Schalter, Treppe hoch, Treppe runter, Gebäude raus, Gebäude rein.. Es wird zunehmend wärmer und unsere T-Shirts nasser. Endlich erreichen wir das richtige Terminal und den richtigen Schalter. Der Sicherheitscheck verschafft uns nochmal eine kleine Atempause und ist dank günstiger Bedingungen schnell überwunden. Es bleibt noch Zeit um uns kurz zu erfrischen und unsere zu Feuchttüchern gewordenen T-Shirts gegen frische neue Kleidung zu tauschen. Ein lokaler Store half uns sehr gern bei der Auswahl und beim Sammeln erster Erfahrung mit der örtlichen Währung und dem derzeitigen Umrechnungskurs. Erschöpft von dieser kurzen mentalen und körperlichen Trainingseinheit lassen wir uns nun im letzten Flieger nieder. Dieser wird uns nach nun über 16 Stunden an unser erstes Ziel Hanoi bringen. Wir sind müde, aber mit einem Lächeln im Gesicht, voller Vorfreude auf die nächsten Tage.